Kronwickenbläuling Pro Natura

Naturschutzgebiet «Badischer Bahnhof»

Das Naturschutzgebiet "Badischer Bahnhof" auf dem ehemaligen DB-Rangiergelände ist ein Paradies für Flora und Fauna mit zentraler ökologischer Bedeutung. Neben seiner Funktion als Lebensraum ist das Gebiet zwischen Wiese und Weil am Rhein auch ein wichtiger Korridor, in dem Arten während des Klimawandels wandern können.

Das 20 ha grosse Naturschutzgebiet ist im "Bundesinventar der Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung" verzeichnet. Es ist einer der wertvollsten Trockenlebensräume der Schweiz und spielt eine zentrale Rolle als Korridor, auf dem sich Arten während des Klimawandels räumlich verschieben können. Experten schätzen den Artenreichtum des Gebietes auf 400 Pflanzenarten und rund 3000 Insekten- und andere Tierarten, darunter etwa 100, die auf den Roten Listen der gefährdeten Arten stehen.

Entstehung

Die Fläche entstand anfangs des 20. Jahrhunderts. Damals wurden rund 6.5 Mio. Kubikmeter Rheinschotter aus der Niederterrasse des Rheins zwischen Weil und Haltingen entnommen und für den neuen Badischen Personen-, Güter- und Rangierbahnhof bis zu 8 m hoch aufgeschüttet. Danach wurde die Fläche mit Bruchschotter für die Bahnnutzung bedeckt und über Jahrzehnte offen gehalten. Die Geschichte des Gebietes und sein biologischer Wert sind ausführlicher dargestellt im Sonderheft "Bahn frei für die Natur" (2003) sowie in der Monographie "Flora und Fauna auf dem Eisenbahngelände im Norden Basels" (2003).

Lebensraum mit ausserordentlicher Biodiversität

Mit dem sehr durchlässigen und mageren Untergrund und der Offenhaltung durch die Bahnnutzung wurde der Badische Rangierbahnhof im Lauf der Jahrzehnte zu einem Ersatzlebensraum für sehr viele Arten der warmen und trockenen Schotterflächen der ehemaligen Auen am Oberrhein.

Diese Auen wurden wegen der Korrektion des Oberrheines im 19. Jahrhundert grossflächig fast vollständig zerstört. Deshalb ist der 20 ha grosse und nur wenig zugängliche Ersatzlebensraum des Badischen Rangierbahnhofs für den Artenschutz von herausragender Bedeutung. Über Bahnborde oder Züge aus allen Himmelsrichtungen wanderten über Jahrzehnte viele weitere Pflanzen- und Tierarten in das Gelände ein.

Ab Ende der 1980-er Jahre wurde der Rangierbahnhof nicht mehr benötigt. Die wertvollen Trockenwiesen und Ruderalflächen werden seither im Auftrag des Kantons Basel-Stadt gepflegt und offen gehalten. Heute ist das Gebiet ein Paradies für Flora und Fauna. Die Monografie über das Eisenbahngelände im Norden Basels (Burckhardt et al., 2003) hat eine unglaubliche Vielfalt an Arten und Lebensräumen dokumentiert.

Rheinauen
Rheinauen vom Isteiner Klotz aus Richtung Basel. Anton Winterlin, um 1852.

Wichtige ökologische Funktion als bedeutender Vernetzungskorridor

Neben seiner Funktion als Lebensraum vieler seltener Arten ist das Gebiet auch das Herzstück im ökologischen Vernetzungskorridor vom Oberrhein zum Hochrhein und weiter ins Mittelland und deshalb von internationaler Bedeutung. Nicht-Waldarten müssen für ihre Ausbreitung und Arealverschiebungen zwischen dem Mittelland und dem Oberrhein (zum Beispiel, um wegen des Klimawandels neue Gebiete mit geeigneten Lebensbedingungen zu finden) zwingend durch das Nadelöhr Basel, das für viele Arten die einzige Verbindung zwischen diesen Grossräumen darstellt. Die Bahnareale sind hier die einzig verbliebenen Korridore. Das DB-Areal ist ein zentraler Teil dieses Korridors, weil Arten eben nicht bloss einen schmalen Korridor benötigen, sondern immer wieder auch grosse Kernlebensräume, in denen sich grössere Populationen aufbauen und halten können, von denen aus die Arten dann die nächsten Gebiete besiedeln. Diese ökologische Funktion als Korridor wird wegen der durch den Klimawandel verursachten Artenwanderungen immer wichtiger.

National bedeutendes TWW-Objekt

Das Gebiet gehört mit 20 Hektaren - doppelt so gross, wie der Basler Zolli - zu den grossen Trockenlebensräumen im Land. Durch seine kompakte Form werden negative Randeffekte minimiert und obwohl es am Rande der Stadt liegt, ist es wegen des Bahnbetriebs nur wenig zugänglich. So bleibt die Fläche von starken Störungen verschont.

Der enorme ökologische Wert des Geländes veranlasste den Bund, die Fläche im Jahr 2010 ins Bundesinventar der Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung aufzunehmen, jedoch nicht einfach als normales Objekt, sondern als „Singularität“, ein Sonderstatus, der für schweizweit einzigartige Gebiete reserviert ist. TWW-Experten des Bundes schätzen das Gebiet als wenn nicht DAS wertvollste aller ca. 3600 TWW-Objekte der Schweiz, dann als sicher eines der Top 5-Gebiete ein. Ein einzigartiges Juwel, das nicht ersetzbar ist. Dass das Gebiet besonders ist, zeigt auch die Tatsache, dass es mit 20 Hektaren Grösse drei Mal so gross ist, wie die sieben anderen TWW-Objekte des Kantons zusammen, und auch drei Mal so gross, wie der Durchschnitt aller Schweizer TWW-Objekte. Der Schutz der TWW-Objekte und der Schutz der "Biotope von nationaler Bedeutung" generell ist ein vorrangiges Ziel des Naturschutzes, weil es diesen wichtigsten Naturschutzgebieten des Landes ausgesprochen schlecht geht, wie aktuelle Zahlen des Bundes zeigen (mehr dazu lesen).

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Pflanzen

Die Monographie über die Eisenbahngelände im Norden Basels (Burckhardt et al., 2003) ist die bisher umfassendste Erhebung. Sie beschreibt auf dem Gebiet inklusive der Flächen südlich der Wiese (Erlenmatt) und jenseits der Landesgrenze bis Haltingen 575 Pflanzenarten und 35 Pflanzengesellschaften. Auf dem Gebiet nördlich der Wiese, das vollständig auf Schweizer Boden liegt, also dem Areal, das durch das Hafenbecken 3 und das Gateway Basel Nord zerstört werden soll, waren es immer noch 347 Pflanzenarten - eine ganz aussergewöhnlich Artenvielfalt. 

Aufgrund der aktuelleren Erhebungen des Naturinventars Basel-Stadt (2008 und 2009) ist bekannt, dass rund 60 der vorkommenden Pflanzenarten gemäss kantonaler Roter Liste gefährdet sind. Vier dieser Arten sind sogar schweizweit gefährdet: Rheinische Flockenblume (gefährdet, Gefährdungskategorie "VU"), Sand-Wegerich, Graues Fingerkraut und Grosses Knorpelkraut (alle stark gefährdet, Gefährdungskategorie "EN"). Weitere sechs Arten gelten national nur als potenziell gefährdet, für die Nordschweiz handelt es sich aber um grosse botanische Kostbarkeiten. Zu nennen sind die Hunds-Braunwurz, das Rosmarin-Weidenröschen, das Behaarte Bruchkraut und der Ruten-Knorpelsalat. Dazu kommt eine Vielzahl von Arten die in den Alpen oder stellenweise im Jura noch gesicherte Vorkommen aufweisen und deshalb nicht gefährdet sind. Für die Nordschweiz und Basel sind sie aber absolute Besonderheiten. Beispiele sind die Golddistel, das Wimper-Perlgras, die Zarte Miere und der Schmalblättrige Hohlzahn.

Rheinische Flockenblume Frank Marke
Die schweizweit gefährdete Rheinische Flockenblume ist im Naturschutzgebiet "Badischer Bahnhof" noch häufig anzutreffen.

Heuschrecken

Die Vielfalt an Heuschrecken ist auf dem Gelände mit 14 aktuell vorkommenden Arten sehr hoch. Vier dieser Arten sind sogar schweizweit als gefährdet eingestuft: Die Italienische Schönschrecke, die Blauflügelige Sandschrecke, die Zweifarbige Beissschrecke und die Gemeine Sichelschrecke. Drei weitere gelten als potenziell gefährdet (Blauflügelige Ödlandschrecke, Westliche Beissschrecke, Südliche Grille). Mit ihren farbigen Hinterflügeln sind die Schönschrecke, die Sandschrecke und Ödlandschrecke sicher die auffälligsten Arten. Sie sind an Hitze, Trockenheit und die ruderalen Lebensräume hervorragend angepasst. Auf vegetationsarmem Kies und Schotter sind sie von Auge kaum auszumachen …. bis sie auffliegen. Das Gelände bietet ferner der seltenen Gottesanbeterin Lebensraum, die der Ordnung der Fangschrecken angehört.

Blauflügelige Ödlandschrecke Thomas Schwarze
Die Blauflügelige Ödlandschrecke ist eine der 14 auf dem Areal vorkommenden Heuschreckenarten.

Steinbruch Leymen

Im Steinbruch am Landskronberg in Leymen wurde bis Ende der 80er Jahre Kalk abgebaut. Das ca. 2.5 ha grosse Areal ist unser wertvollstes Schutzgebiet: Gefährdete Tierarten wie die Gottesanbeterin, die Geburtshelferkröte, die Schlingnatter oder die Westliche Heideschnecke und Pflanzenarten wie der Kugelköpfige Lauch, der Deutsche Enzian sowie neun Orchideenarten, unter anderem die Pyramidenorchis, sind hier heimisch. Auf den Rohböden des Steinbruchs finden sich auch Pionierarten wie die Mauerraute oder das Mauer-Hungerblümchen.

Den Wald, der das Gebiet umgibt, wird in den nächsten Jahren aufgelichtet – zugunsten von wärmeliebenden Arten. Auch sind Kaufgespräche über Parzellen in der direkten Umgebung des Steinbruchs im Gang.

Das Gebiet ist aufgrund der lose herumliegenden Steine und der steilen Felswände mit Steinschlag gefährlich und sollte nicht begangen werden. Die Eigentümer lehnen jede Haftung ab. Das Tor am Eingang lässt jedoch einen schönen Einblick ins Gebiet zu.

Steinbruch Leymen Daniel Rüetschi

Reptilien

Auf dem Gelände kommen drei Arten vor. Nebst der häufigen Mauereidechse und der unauffälligen Blindschleiche ist die Schlingnatter weitaus die kostbarste der vorkommenden Reptilienarten. Aufgrund der intakten Lebensräume (warme Schotter, Gebüsche und Brombeeren als Deckung) und der guten Nahrungsgrundlage (Mauereidechse) beherbergt das Gebiet eine sehr bedeutende Population dieser gesamtschweizerisch gefährdeten Art. Das Bahnareal Basel Nord ist für diese Art weit und breit der wichtigste Lebensraum. Er dient ihr so auch als Quell-Lebensraum, von dem aus andere Gebiete in der Region wieder besiedelt werden können.

Schlingnatter Thomas Schwarze
Das Naturschutzgebiet "Badischer Bahnhof" ist weit und breit der wichtigste Lebensraum für die harmlose, schweizweit gefährdete Schlingnatter.